German Creative Economy Summit 2025
Nach dem German Creative Economy Summit 2025 - ein persönliches Nachdenken über Digitalisierung, GenAI, kreative Wertschöpfung und Gesellschaft. Fragemente.
Was ist das Wesensmerkmal der Digitalisierung? Berechenbarkeit.
Einst habe ich mich in digitalen Transformationsprojekten über Ansätze aufgeregt, die genau dies ignorieren. Schimpfwort: „Versicherungs-IT“. Papierformulare werden eingescannt und sind dann digitalisiert? Nee – weil einzig Unmengen von Bilddaten da waren, aber keine der Informationen und Inhalte des Formulars strukturiert so abgelegt wurden, dass sie in einen neuen Zusammenhang gestellt oder in eine andere Berechnung aufgenommen werden konnten.
Heute ist es anders: Zeitgleich zur Einführung einer überstrukturierten XRechnung ist die neueste Version meiner Banking-App in der Lage, beliebig formatierte Rechnungen mit der Kamera in ein Überweisungsinterface zu überführen. Bilderkennung, Maschinen, die lernen – machen es möglich.
In die Form der Unruhe beschreiben es Tina Piazzi und Stefan M. Seydel so: “Bits und Bytes loggen sich ein in Bilder, Texte, Videos.” Null und Eins. An und Aus.
Auf substantieller Ebene sind auch die digitalen Artefakte der “Versicherungs-IT” berechenbar. Wie Texte, Bilder und Musik.
Und jetzt rechnen sie. Die Maschinen. Und nutzen 0 und 1 und generieren Texte, Bilder und Musik.
GenAI: Das großes Thema auf dem German Creative Economy Summit. Dr. Carsten Brosda spricht von einer radikal veränderten Wertschöpfung. Nicht nur für den Einzelnen, nicht nur für einen Teilmarkt (bspw. Fotografie), nicht nur für die Kreativwirtschaft, sondern für die gesamte Wirtschaft. Denke an meine Frau, die als Fotografin so fast gar kein Geld mehr verdient. Und meine Zukunft. Ich finde diesen Gedanken tröstlich. (Sie nicht so.)
“Wo wollen wir es nicht technologisch lösen?” fragt Brosda weiter und benennt “Die Unberechenbarkeit als kategorialen Unterschied” zwischen menschlich und synthetisch Geschaffenem.
0 und 1 und Inbetween – Vor Jahren erdachte ich mir ein Tattoo-Motiv, das diesen Gedanken zum Ausdruck bringt. Ich habe es mir nicht stechen lassen. Weil ich überhaupt nie Interesse an Tattoos hatte. Und doch damals ernsthaft überlegte, eine Ausnahme zu machen, um nie, nie, nie dieses „Inbetween“ zu vergessen.
Heute denke ich weiter: Die Unberechenbarkeit ist da, wo 0 und 1 nicht sind.
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Im Anschluss auf Kampnagel K6 – so einfach wie gut in dieser Dramaturgie! (Danke: Hanna, Karla, Nicola oder wer auch immer dafür verantwortlich ist): Goldmedia präsentiert berechenbare, wirtschaftliche Fakten zu allen Teilmärkten und dann zeigen sich zwölf Kreative aller Teilmärkte auf der Bühne: Personen mit Haltung!
Chris Campe fordet: nutzt die Zeit auf dieser Veranstaltung und sprecht über eine neue Wirtschaftordnung entgegen der Vereinzelung. Ben Etuk ist da und das ist mehr als gut so. Maurice macht Freude und ich gebe ihm mit meiner Erfahrung aus einigen Workshops für Games Lift in allem recht, was er sagt: Menschen aus der Games-Branche sind außergewöhnlich begabt im Umgang mit Komplexität – und sie supporten sich sehr!
Und der Kreis könnte sich doch so schließen: Der Weihnachtsmann von der Spielwarenbranche lernt von Pheline Rogan und der Filmwirtschaft. Aus “grün drehen” – “grün spielen”.
Eine kleine Utopie!
“Der Glaube an den Menschen als Schöpfer” (Brosda).
Hoffnung – steht auf.
“Wenn morgen die Welt zu Grunde gehen würde, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen” (Luther).
Schrieb mir meine Grundschullehrierin ins Freundschafts-Buch. Jahrzehnte später im Alten Land. Kindergarten-Apfelernte. Nach einem Reeperbahn-Festival und Gespräch mit Jason auf dem Balkon vom Häkken: ich verstand. 0 und 1 und – above it all.
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Oder, wie es ein paar Panels später heißt: die Versklavung der Kreativen auf den großen Plattformen. Als Musiker*in will ich dort präsent sein, wo meine Musik ein Publikum findet. Und liefere dafür – in täglicher Unterordnung gegenüber einer Algorithmus-Blackbox, die über die Sichtbarkeit meiner Inhalte bestimmt – Bilder, Texte und Musik, in die sich Bits und Bytes einloggen, die meine kreative Leistung berechenbar werden lassen.
Und optimierte UX nudged uns zum Dopamin-Rausch. Wie berechenbar sind wir für die Systeme? Sie wissen schon: Mit welcher Wahrscheinlichkeit du deinen Learning-Streak hältst, wie viele Likes und Notifications du brauchst, bis du wieder postest – und welchen generierten Text du wohl kopieren wirst.
Der Hunger der KI nach Input von jenen die Leben!
“Kopier-Pfenning”, “Geistiges Eigentum”, “Gema-Gebühr”, Künstlersozialkasse", “Bürokratie-Abbau”?
Was ich vor Jahren (so wie heute ein Fragesteller) als Lamentieren abgetan hätte, erscheint in einem neuen Licht: Die Forderung nach wirtschaftlicher Anerkennung menschlichen Beitrags abseits der Berechenbarkeit ist nie Lamentieren. Sie ist immer eine Forderung nach einer lebenswerten Gesellschaft.
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Und das Panel stellt fest: Europa ohne Suchmaschine, Europa ohne soziales Netzwerk, Europa ohne KI. Wertschöpfung fließt ab und die da zahlen nicht mal Steuern.
Ich tippe: Airbus-Moment der Digitalisierung. Ein kurzer Text. 0 und 1 im Telefon und in der Cloud.
Fahre heim. Frage mich ob .eu Domains an Popularität gewinnen?
Beluga über Hamburg.